Rundfunkansprache von Karl Kaufmann: Gegen die Lügen unserer Gegner über angebliche Ereignisse in Hamburg, Reichssender Hamburg, 29.3.1933

    [00:16-00:50]


    Deutsche Volksgenossinnen und Volksgenossen, die nationalsozialistische Bewegung hat in
    ihrem vierzehnjährigen Kampfe gegen rote und goldene Internationale stets darauf hingewiesen,
    dass beide, Sozialdemokratie und Judentum, vor dem Kriege, während des Krieges und nach dem
    Kriege ihre internationalen Beziehungen stets zum Schaden des Volkes und gegen das deutsche
    Vaterland eingesetzt haben. Diese historischen Tatsachen sind durch eine große Anzahl von
    untrüglichen Beweisen zu belegen.


    [03:58-06:17]


    Heute aber, wo nicht einem Juden in Deutschland ein Haar gekrümmt worden ist. Wo nicht einer
    der vielen verantwortlichen
    [kursive Passagen sehr leise und schwer verständlich] Hetzer der Sozialdemokratie
     [kursive Passagen sehr leise und schwer verständlich] zur notwendigen Rechenschaft gezogen ist, benutzen beide,
    internationale Juden und internationale [kursive Passagen sehr leise und schwer verständlich] Sozialdemokraten in
    vaterlandsverräterischer Weise ihre internationalen Bindungen und Beziehungen, um in einer Art
    im Ausland gegen Deutschland Lügen und Gräuelpropaganda betreiben zu lassen, die jeglicher
    Beschreibung spottet und der Wahrheit in nie dagewesener Weise ins Gesicht schlägt. Diese
    Kreise jedoch sollten wissen, dass auch die Sanftmut einer nationalen Regierung einmal ein Ende
    haben könnte, und das sowohl die Maßnahmen des internationalen Judentums, wie auch die der
    internationalen Sozialdemokratie für die beteiligten in Deutschland eine fürchterliche Waffe
    werden könnte, die auf die Urheber dieser Aktionen im Ausland zurückfallen wird. Dann
    zurückfallen wird, wenn nicht alle Möglichkeiten dieser Organisationen das Ausland
    wahrheitsgemäß über die Lage in Deutschland zu richten, ausgenutzt werden und darüber hinaus
    sie ihren Einfluss gelten machen, dieser unwahren, verlorenen [05:20: evtl. auch verlogenen,
    undeutlich] und gefährlichen Gräuelpropaganda im Ausland endlich Einhalt zu gebieten. Die
    Gegenmaßnahmen der Reichsregierung, die zunächst darin bestehen werden, dass man solange
    der Boykottbewegung des Judentums in Deutsch […], [wiederholt] gegen das Judentum in
    Deutschland mit Gewehr bei Fuß zusehen wird, wie die ausländischen Regierungen gegen den
    dortigen Lügenfeldzug des Judentums und der Sozialdemokratie nichts unternehmen werden.
    Nach unser Auffassung wird dies ein wirksames Abwehrmittel darstellen, das auch diese
    Maßnahme, wie alle Maßnahmen der NSDAP in Ruh und Ordnung ohne Übergriffe, ohne den
    Beteiligten auch nur ein Haar zu krümmen vor sich gehen werden, ist das selbstverständliche
    Gebot nationalsozialistischer, immer geübter Disziplin.

    [10:32-12:47]


    Würdig [?] dieser Kostprobe sozialdemokratischer Verlogenheit ist die unerhörte Hetze, die der
    jüdische Professor aus Deutschland, Einstein, in Amerika und in Paris gegen Deutschland treibt.
    Man komme uns nicht mit der Erklärung, dass man auf diese Kreise von hier aus keinen Einfluss
    habe. Wäre der Wille da, dann wäre es den deutschen Juden schon längst möglich gewesen,
    abgesehen von [...], Namen, Erklärungen, ich erinnere an die Erklärung der Hamburger
    Israelitischen Gemeinde
    dafür zu sorgen, dass über den Weg ihrer Beziehungen zum Ausland
    dort die Wahrheit über Deutschland bekannt gegeben wird. Hier liegt ein schlagender Beweis,
    dass ein aus Deutschland stammender, prominenter Jude sich mit dazu hergibt, unerhörte Lügen
    im Auslande zu verbreiten. Auch aus dieser Tatsache ergibt sich für die nationale Regierung das
    Recht und die Pflicht, den Gegenmaßnahmen der Volksbewegung so lange zuzusehen, wie es die
    Regierungen der anderen Länder, in denen diese Gräuelpropaganda betrieben wird, ihrerseits zur
    Beruhigung und zum Bekenntnis der Wahrheit das Nötige tun. Der Reichskanzler Adolf Hitler
    hat in seiner großen Rede im Reichstag erklärt, dass es sein Wille sei mit den übrigen Ländern
    der Welt in Frieden und Eintracht zu leben. Welch gefährliche Früchte aber die Hetze dieser
    Lügen- und Gräuelpropaganda im Ausland zeitigt, geht aus einer Anfrage hervor die im
    englischen Unterhause gestellt wurde. In dieser Anfrage an den englischen Ministerpräsidenten
    MacDonald wird in allem Ernste gefragt, ob dieser den Bericht über die Hinrichtung oder
    Ermordung von vierzehnhundert [1.400] Menschen allein in Hamburg bestätigen könne.


    [13:24-17:10]


    Wenn nun in Erklärungen der Israelitischen Gemeinde wehleidig der
    Schlusssatz gebracht wird: „Mit Gottes Hilfe wird es den deutschen Juden gelingen, den
    Antisemitismus zu überwinden“, so können wir der Israelitischen Gemeinde Hamburgs nur den
    Rat geben, dafür zu sorgen, das alle Gründe und Voraussetzungen, die zum Antisemitismus
    führen mussten, schnellstens beseitigt werden. Die positiven Maßnahmen hierfür aber sollte das
    Judentum in Deutschland von sich aus treffen. Für uns gibt es keine negative Judenfrage, sondern
    nur eine solche im positiven Sinne. Wenn heute der Mittelstand am Grabe seiner Existenz steht
    und in gleicher Zeit jüdische Warenhäuser wie Pilze aus der Erde schießen, wenn Deutschlands
    akademische Jugend zum Proletariat erniedrigt, vergeblich auf Anstellung wartet, während das
    Judentum in Justiz, in der Ärzteschaft, in der Anwaltschaft in einem Prozentsatz vertreten ist, der
    in keinem Verhältnis zur Zahl der jüdischen Bevölkerung in Deutschland steht, so kann man die
    Forderung der Deutschen nach Gleichberecht[i]gung im eigenen Vaterland
    nicht als Antisemitismus bezeichnen. Diese Forderung gegenüber dem Gastvolk der Juden ist ein
    unantastbares und unveräußerliches Recht der deutschen Volksgenossen. Aber auch hierfür
    einige ganz kurze Beispiele: Die jüdische Bevölkerung macht nach den
    Angaben des statistischen Landesamtes im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung
    rund eins Komma sieben [1,7], also nicht einmal zwei [2] Prozent aus. Im Amtsgericht jedoch
    sind die Juden vertreten mit zehn [10] Prozent, im Landgericht mit zwanzig[20], im
    Oberlandesgericht mit dreißig [30], bei den Senatspräsidenten mit fünfzig [50], bei den
    Rechtsanwälten mit dreiundvierzig [43] Prozent. Noch schlimmer liegen die Verhältnisse bei den
    Ärzten. Die Juden sind in der Hamburgischen[15:45] Ärztenschaft[korrigiert sich] Ärzteschaft
    bei einem Bevölkerungsanteil von Rund eins Komma sieben [1,7] Prozent mit dreißig Komma
    neun [30,9] Prozent vertreten. In den Warenhäusern wird zum Missbrauch der
    Gewerbefreiheit, Handwerk und Mittelstand in einer Weise geschädigt, die aus Gründen der
    Gerechtigkeit und der Sicherung der Volkswirtschaft in Zukunft nicht mehr ruhig hingenommen
    werden kann. Es handelt sich also keineswegs um eine der Juden
    sondern lediglich um die Wiederherstellung der Gleichberechtigung der Deutschen im eignen
    Vaterlande wenn die Forderung erhoben wird, dass in Zukunft das Judentum nur noch
    entsprechend seiner zahlenmäßigen Stärke im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung […]. Ich
    will als verantwortlicher Leiter der NSDAP für das Staatsgebiet keinen Zweifel
    darüber lassen, dass die Art unserer gesetzmäßigen Maßnahmen davon abhängen wird, in
    welcher Weise[17:00] die im Ausland gegen Deutschland betriebene Gräuelpropaganda
    zurückgehen wird. Bei dieser Gelegenheit ein Wort an die Hamburger Presse:[17:10]


    Quellenbeschreibung

    Die Rundfunkansprache Karl Kaufmanns, des Hamburger Gauleiters der NSDAP, die am 29.3.1933 über den Norddeutschen Rundfunk verbreitet wurde, war Teil einer reichsweiten Kampagne, die ihren Höhepunkt mit dem „Judenboykott“ vom 1.4.1933 erreichte. Die Rede gibt einen Einblick in das nationalsozialistische Bild von „den Juden“. Diese werden als eine international ausgerichtete Minderheit charakterisiert, die keine nationalen Loyalitäten kannte, sondern stattdessen „in vaterlandsverräterischer Weise“ agierte. In seiner Ansprache rechtfertigt Kaufmann den Aufruf zum Boykott jüdischer Geschäfte, indem er ihn als defensive Antwort auf die „Greuelpropaganda“ des „internationalen Judentums“ darstellt. Im Unterschied zum generellen Tenor der Kampagne attackiert Kaufmann aber nicht nur die Juden, sondern widmet einen erheblichen Teil seiner Redezeit der Sozialdemokratie, die er ebenso wie die Juden als international ausgerichtete „Vaterlandsverräter“ charakterisiert. Um den Vorwurf der „Greuelpropaganda“ zu belegen, verweist Kaufmann auf kritische Äußerungen Albert Einsteins über den Nationalsozialismus, auf die Anfrage eines Abgeordneten im britischen Unterhaus und auf ein Flugblatt der tschechoslowakischen Sozialdemokratie. Andere Passagen der Rede richten sich gegen die deutschen Juden, insbesondere gegen jüdische Juristen, Ärzte und Kaufhausbesitzer, die – wie Kaufmann suggeriert – verantwortlich seien für die existenziellen Probleme des akademischen Nachwuchses und des gewerblichen Mittelstandes. Kaufmanns Rede endet mit einem Aufruf zur Disziplin an die eigenen Parteigenossen und mit Drohungen gegen die Presse sowie gegen potentielle „Ruhestörer“. Die Rede dauerte insgesamt mehr als 22 Minuten. Wiedergegeben werden hier vornehmlich jene Ausschnitte, in denen Kaufmann die antisemitische Politik des sich etablierenden NS-Regimes legitimiert.
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    Empfohlene Zitation

    Rundfunkansprache von Karl Kaufmann: Gegen die Lügen unserer Gegner über angebliche Ereignisse in Hamburg, Reichssender Hamburg, 29.3.1933, veröffentlicht in: Hamburger Schlüsseldokumente zur deutsch-jüdischen Geschichte, <https://dx.doi.org/10.23691/jgo:source-94.de.v1> [25.04.2024].