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2017-06-27T00:00:00Z
de
Mary Antin: Brief an den Onkel Moshe Hayyim Weltman in Polotzk, 1894 [Auszug]
https://dx.doi.org/10.23691/jgo:source-47.de.v1
Mary Antin
Institut für die Geschichte der deutschen Juden
Online Ressource
Mary Antin (Maryasche Antin) aus dem weißrussischen Polotzk reiste
1894 mit ihrer Mutter und drei Geschwistern über Hamburg nach Boston,
wohin der Vater vorausgefahren war. Unmittelbar nach ihrer Ankunft
1894 berichtete Mary Antin von ihrer Reise in einem Brief an den Onkel
mütterlicherseits, Moshe Hayyim Weltman in Polotzk. Der von Mary
Antin geschilderten Entstehungsgeschichte des Briefes zufolge kippte
ihre Lampe um, kurz bevor sie den Brief vollendet hatte. Dieser sei
mit Kerosin übergossen worden, weshalb sie ihn noch einmal habe
abschreiben müssen. 1899 veröffentlichte sie auf Grundlage des
kerosingetränkten Originals eine englische Version des auf Jiddisch
verfassten Reiseberichts unter dem Titel „From Plotzk to Boston“.
Die von der 18-jährigen geschriebene englische Fassung richtete sich
an die amerikanische Öffentlichkeit und unterschied sich in ihrer
sprachlichen Gestaltung vom hier diskutierten jiddischen Brief der
13-jährigen an den Onkel und die Verwandten daheim in Russland. Die
literarisch begabte Mary Antin galt als Wunderkind, und die von
jüdischen Gönnern geförderte Publikation sollte ihr die weitere
Ausbildung ermöglichen. Gefördert wurde Mary Antin von ihrer
Lehrerin Mary Dillingham, den Bostoner jüdischen Philantropen Lina
und Jacob Hecht und deren Freund, dem bekannten jüdischen
Schriftsteller, Israel Zangwill. Dieser stellte den Kontakt zur
Zeitschrift American Hebrew her, in welcher die englische Version 1899
in Fortsetzungen abgedruckt wurde, bevor sie als Buch erschien. Die
Gönner wollten angesichts der zunehmenden Fremdenfeindlichkeit und
politischer Initiativen gegen die Masseneinwanderung in die USA ein
Musterbeispiel gewinnbringender Integration vorführen. 1910 gelangte
Mary Antin anlässlich einer Reise nach Russland wieder in den Besitz
des Originalbriefes. 1914 ließ ihr Schwager, John F. Grabau, den
Brief binden und übergab ihn der Boston Public Library, in deren
Bestand er sich heute noch befindet, einschließlich einer kurzen
handschriftlichen, von Mary Antin verfassten Einleitung zur Geschichte
des Manuskripts in englischer Sprache.
Das Original-Manuskript zählt 68 Seiten, wobei die Nummerierung
offenbar aufgrund eines Irrtums von Seite 55 direkt zu Seite 60
springt. Ein Transkript des Briefes sowie eine englische Übersetzung
wurden 2013 von Sunny Yudkoff veröffentlicht und liegen dieser
Quelleninterpretation zugrunde.
2017-06-27